Veröffentlicht in: ICT Jahrbuch 2011

Das Web findet lĂ€ngst nicht mehr auf Desktop-Rechnern statt, sondern in der Hosentasche. Mobile Devices sind Bestandteil der Popkultur. Der Browser wird zur systemĂŒbergreifenden Umgebung und konkurriert ernsthaft mit dem klassischen Betriebssystem. Die StĂ€rke des Web ist seine Standardisierung. So konnte es seinen Siegeszug auf den Desktop-Rechner antreten. Mit HTML(5) wiederholt sich diese Revolution fĂŒr mobile EndgerĂ€te.

Das Web findet lĂ€ngst nicht mehr auf Desktop-Rechnern statt, sondern in der Hosentasche. Mobile Devices sind Bestandteil der Popkultur. Der Browser wird zur systemĂŒbergreifenden Umgebung und konkurriert ernsthaft mit dem klassischen Betriebssystem. Die StĂ€rke des Web ist seine Standardisierung. So konnte es seinen Siegeszug auf den Desktop-Rechner antreten. Mit HTML(5) wiederholt sich diese Revolution fĂŒr mobile EndgerĂ€te.

Vieles hat sich geĂ€ndert, seit Tim Berners Lee im CERN an den ersten Hypertextdokumenten herumtĂŒftelte. Das Internet ist da und öffentlich. Dass sich das W3C bis ins Jahr 2022 Zeit nehmen will, um den finalen HTML(5)-Standard zu veröffentlichen, hat viele befremdet.

HTML(5) ist aber bereits erstaunlich standardisiert. Die Initiative und der Druck kommen heute von den Millionen Internetnutzern, die ein besseres und einfacher bedienbares Internet wollen. Und er kommt von Vertretern der Industrie, die ihre Interessen verfolgen. Die grossen Browserschmieden stellen immer neue Versionen mit noch besserer HTML(5)-UnterstĂŒtzung zur VerfĂŒgung. Einen wichtigen Anteil an der Verbreitung von HTML(5) hat auch der boomende mobile Markt.

Vom W3C hat sich 2004 eine Gruppe abgespaltet. Seither treibt die «Web Hypertext Application Technology Working Group» oder kurz WHATWG die Findung und Entwicklung von Standards aktiv voran. Im Gegensatz zum W3C, das von Tim Berners-Lee gefĂŒhrt wird, stehen verschiedene Unternehmen hinter der WHATWG, darunter die Mozilla Foundation, Apple und die Opera Software ASA. Am 19. Januar 2011 teilte die WHATWG mit, dass sie sich von der Versionierung von HTML gelöst habe: «HTML5 ist HTML». Und weiter: «Der Standard HTML ist ein lebendiges Dokument, dass die Technik so beschreibt, wie sie sich entwickelt.» Das ist ein Paradigmenwechsel und erfrischend. Die WHATWG hat aber nicht den Anspruch, das W3C zu ersetzen. Sie arbeiten eng mit dem W3C zusammen.

Was hat HTML(5) zu bieten?

«HTML(5)» muss breiter verstanden werden – gemeint sind drei Standards: Die Auszeichnungssprache HTML, JavaScript, als zentraler und mĂ€chtiger Bestandteil von modernen Webapplikationen, und CSS(3).

Viele Änderungen gibt es bei der Optik. Gestaltungselemente, die zu Zeiten des «Web 2.0» entstanden sind, sind nun standardisiert. So können abgerundete Ecken, SchattenwĂŒrfe, Spiegelungen und echte Transparenz direkt mit CSS realisiert werden. Mit Canvas und SVG können Vektor- und Pixelgrafiken direkt im Browser erstellt und manipuliert werden. Auch Video und Audio werden vom neuen Standard unterstĂŒtzt.

JavaScript kommt mit einigen Neuerungen. Mit Web Workers werden rechenintensive Aufgaben im Hintergrund ausgefĂŒhrt, ohne dass die ReaktivitĂ€t der Applikation darunter leidet. Mit der EinfĂŒhrung des TCP-basierten Web-Socket-Protokolls werden bidirektionale Verbindungen aus Webanwendungen möglich. Daten können ohne den Ballast des HTTP-Protokolls ĂŒbermittelt werden. Die doch eher mĂŒhsamen Ajax-Konstrukte fallen weg. Über Geolocation und Device Orientation können Informationen ĂŒber die Umgebung der Applikation ermittelt werden und erlauben so eine abgestimmte Interaktion mit dem Nutzer.

Nichts neues, aber standardisiert?

Viele der oben genannten Features gab es auch schon vor dem neuen Standard. Die Umsetzung ist aber standardisiert und einfacher zu handhaben. Es werden fĂŒr Standardanwendungen keine Plugins mehr benötigt.

Doch wie sieht es mit der UnterstĂŒtzung aus? Das Open-Source-Projekt «WebKit» ist ein wichtiger Treiber des neuen Standards. «WebKit» ist ein Framework, auf dem verschiedene Browser aufbauen. Die bekanntesten sind Google-Chrome und Safari von Apple. «WebKit» wird auch in allen grossen Mobilplattformen eingesetzt. Mozilla und Opera bieten ebenfalls eine sehr hohe UnterstĂŒtzung. Schon fast traditionell hingegen ist der RĂŒckstand des Internet Explorers. Dies lĂ€sst sich auch durch die starke Einbindung im Enterprise-Umfeld erklĂ€ren. Mit dem IE 9 wird Microsoft aber auch in Sachen HTML(5) einiges an KompatibilitĂ€t zulegen.

HTML(5) fĂŒr Mobile Applikationen

HTML(5) ist ein wichtiger Bestandteil des Konzepts «Native Interoperable Web Applications » – kurz: NIWEA. Mit den neuen Funktionen kann mit wenig Aufwand ein natives «Look-and-Feel» auf verschiedenen EndgerĂ€ten erzeugt werden. Auch die Nutzung nativer Funktionen der EndgerĂ€te, wie Bewegungssensoren, Kameras oder GPS, ist mit dem Einsatz von Webtechnologien möglich. Über zusĂ€tzliche JavaScript-Bibliotheken werden die nativen Funktionen auf den EndgerĂ€ten angesprochen. Mit HTML(5) können mobile Applikationen entwickelt werden, die von ihren nativen Pendants nicht mehr zu unterscheiden sind.

Das bringt zwei grosse Vorteile: Mehrere mobile Plattformen können mit einer «Codebase » angesprochen und AbhĂ€ngigkeiten von den jeweiligen App-Stores umgangen werden. Nicht zuletzt mĂŒssen sich Webentwickler nur am Rande mit proprietĂ€ren Technologien auseinandersetzen.

Die Innovation kommt heute von der Basis

HTML(5) ist ein lebendiger Standard. Neue EinflĂŒsse werden sehr schnell verarbeitet und umgesetzt. Kreative und konservative KrĂ€fte wirken an der weiteren Ausgestaltung des Standards mit. 1991 gab es genau einen Webserver. Heute gibt es Millionen Webserver und noch mehr Nutzer. Die Innovation kommt heute von der Basis, von denen, die ihre Zeit im Netz verbringen, sich tĂ€glich damit auseinandersetzen. Die WHATWG hat einen intelligenten Schritt getan und losgelassen. Es gibt keine Versionen mehr, keinen Release, nur noch einen lebendigen Standard. HTML verhĂ€lt sich fast schon wie eine natĂŒrliche Sprache, die sich stĂ€ndig verĂ€ndert und weiterentwickelt. Auch bei einer natĂŒrlichen Sprache entwickeln sich Regeln weiter – verschwinden Standards, an deren Stelle neue Standards treten.