Gastbeitrag

Veröffentlicht in: Sonntagszeitung

Der grĂŒne Nationalrat Balthasar GlĂ€ttli kĂ€mpft fĂŒr die InternetneutralitĂ€t und bemĂ€ngelt das mangelnde Bewusstsein vieler Politiker.

Die Regelung der NetzneutralitĂ€tsteht in der Schweiz erst am Anfang. Vergangenen Mai hielt die parlamentarische Gruppe Digita- le Nachhaltigkeit ein offenes Hearing zum Thema Internetregulierung ab. Als Anregung diente eine vom grĂŒnen ZĂŒrcher Nationalrat Balthasar GlĂ€ttli Ende 2012 eingereichte Motion mit der Forderung, die NetzneutralitĂ€t sei gesetzlich zu verankern. Doch ausser dem Aufruf zur Selbstregulierung zeitigte die Konferenz kaum FrĂŒchte. «Mein Eindruck ist, dass es in der Schweiz schlicht kein Thema ist», sagt Gerhard Andrey von der Freiburger Webdesignfirma Liip, der sich in der Branche fĂŒr Open-Source-Lösungen engagiert. «Es fehlt das Bewusstsein.» Eher zu den Bremsern gehört der Bundesrat. Er möchte die NetzneutralitĂ€t erst in einer spĂ€teren Revision des Fernmeldegesetzes behandeln. Eine Arbeitsgruppe des Bundesamts fĂŒr Kommunikation macht sich seit letztem Herbst darĂŒber Gedanken.

Die Swisscom hat bequem Platz genommen

Die Landesregierung schiebt damit die Frage der NetzneutralitĂ€t auf die lange Bank – und dort hat die mehrheitlich dem Bund gehörende Swisscom bequem Platz genommen. Der vielerorts dominante Breitbandprovider weitet sein Angebot auf eine Weise aus, die manchem Kritiker aufstösst. Andrey zum Beispiel beklagt sich darĂŒber, dass er bei sich zu Hause keine schnelle Glasfaserverbindung zum Netz erhĂ€lt, ohne im Paket auch Swisscom TV zu abonnieren. Der Webdesigner wertet das als «Versuch, Marktmacht auszunĂŒtzen». Andere stört die Vorzugsbehandlung einzelner Inhaltsanbieter. Bei Orange Young können die Abonnenten auf ihrem Handy unbeschrĂ€nkt Spotify-Musik hören, ohne dass deren Datenvolumen dem monatlichen Limit angerechnet wird. Vergleichbare BegĂŒnstigungen haben auch andere Mobilfunkdienste eingefĂŒhrt.

«Wir haben einen weiten Weg vor uns»

Dass Inhaltsanbieter nur bevorzugt, aber nicht ausgebremst werden, tröstet Balthasar GlĂ€ttli nicht. Der Netzexperte unter den Parlamentariern akzeptiert zwar, dass es zum Management des Internets nötig ist, Datenpakete je nach Typ unterschiedlich zu behandeln. Daten fĂŒr Video, Games und Börsen duldeten keine Verzögerungen, sagt er. Doch sei Netzmanagement nur mit dem NeutralitĂ€tsgebot vereinbar, «solange es nicht diskriminierend ist und nicht monetarisiert wird». Die Beispiele zeigen: Das Thema wird umso komplizierter, je mehr man in die Tiefe geht. Vielleicht steckt die Diskussion der NetzneutralitĂ€t aus diesem Grund im technokratischen GestrĂŒpp fest. FĂŒr Engagierte wie GlĂ€ttli ist es bedauerlich, dass «sich die Politik nicht bewusst ist, was fĂŒr eine zentrale Rolle die Infrastruktur des Internets spielt». In Sachen NetzneutralitĂ€t, sagt er, «haben wir in der Schweiz einen weiten Weg vor uns».